8.)

Ernährungsbedingte Treibhausgasemissionen reduzieren!

,,Hier müssen wir wohl etwas weiter ausholen, denn der Anteil der Tierprodukteindustrie an den menschengemachten Treibhausgasen ist ein sehr umstrittenes Thema. Je nach Interessenlage der Wissenschaftler*innen werden gerne Mal Faktoren ausgelassen oder überbewertet …

Beim deutschen Umweltbundesamt heißt es z.B. die Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft betrügen nur 7,4%. Allerdings bezieht sich das ausschließlich auf die Emissionen in(!) Deutschland, nicht aber die mit der deutschen Landwirtschaft verknüpften Emissionen im Ausland, welche durch Brandrodung für und Düngung von Futtermittelplantagen oder den Import von Soja, die Herstellung und den Transport von Dünger und Pestiziden, sowie die Aufzucht von Tieren im Ausland entstehen. Eine rein regionale Betrachtung ist also wenig bis gar nicht zielführend.

Die FAO, die Food and Agriculture Organisation der UN, ging in der 2006 erstellten Studie “Livestocks long shadow” zunächst davon aus, dass 18% der menschengemachten Treibhausgasemissionen aus der Tierhaltung stammen.
Später, in 2013, korrigierte diese Organisation – welche im übrigen stark mit der Tierprodukteindustrie verbandelt ist – ihre Berechnungen sogar auf nur 14,5%.

Das Worldwatch Institute errechnete 2009 dann mit ihrer Studie “Livestock and Climate Change” einen Anteil der Tierprodukteindustrie an den globalen menschengemachten Treibhausgasemissionen in Höhe von 51%.

Die Studie von Poore und Nemecek von der Oxford University aus 2018, “Reducing food’s environmental impacts through producers and consumers”, kommt auf 26% der gesamten Landwirtschaft, wovon 53% direkt auf die Tierprodukteindustrie entfallen. Siehe Grafik von our world in data.

In Zahlen sind das 6,6 Gt CO2 Äquivalente (CO2e). Hinzu kommen laut Poore und Nemecek aber noch sogenannte „Oppor­tunitäts­kosten“. Damit wird die Menge an CO2 beschrieben, die jährlich gebunden werden kann, wenn aufgrund einer rein pflanzlichen Ernährung nicht mehr benötigte Agrarflächen wieder zu CO2-Senken aufgeforstet werden. So würden wir zusätzlich zu der Reduktion von Emissionen (6,6 Gt CO2e), jährlich weitere 8,1 Gt CO2e aus der Atmosphäre binden – also quasi “Negativ­emissionen” kreieren.

Rechnet man dem Anteil der Tierprodukteindustrie dieses Potential der Negativemissionen hinzu (= 14,7 Gt CO2e) entspricht das insgesamt 28% (14,7 Gt CO2e / 52,3 Gt CO2e insgesamt) der menschengemachten Treib­haus­gas­emissionen. Diese Studie ist übrigens die einzige die peer reviewed ist.

Auch der IPCC hat sich in seinem Sachstands­bericht 2019 “Climate Change and Land” zu den Emissionen aus dem “globalen Ernährungs­system“ (= Landnutzungs­änderung für das Ernährungssystem + Landwirtschaft) geäußert und diese mit durchschnittlich 21,3% (15,2% – 26,5%) angesetzt.
Außerdem heißt es in dem Report: “Wenn vor- und nachgelagerte mit dem globalen Ernährungssystem verbundene Emissionen berücksichtigt werden, liegt dieser Wert schätzungsweise zwischen 21% und 37%.
Leider macht der IPCC keine gesonderten Angaben über den Teilbereich der Tier­produkte­industrie, doch diese macht definitiv den größten Teil des “globalen Ernährungs­systems” aus und somit auch den größten Teil dieser Gesamtemissionen.

Nicht zuletzt gibt es noch die Berechnung von Dr. Sailesh Rao von Climate Healers, der in seinem White Paper “Animal Agriculture is the leading Cause of Climate Change” aus 2019 für die Tierprodukte­industrie stolze 87% der menschen­gemachten Treib­haus­gas­emissionen berechnete.

Auf der Seite von Landwirtschaft Jetzt! werden die Unterschiede in den Berechnungen, welche zu diesen sehr verschiedenen Ergeb­nissen führen, im Detail sehr gut nebeneinander gestellt. Die Seite selbst kommt im Übrigen auf ein eigenes Ergebnis von 31% der Tier­produkte­industrie an den menschen­gemachten Treib­haus­gasemissionen.

All diese Werte liegen so weit auseinander (14,5% – 87%), dass man gar nicht weiß was nun richtig sein soll. Allerdings ist es im Grunde genommen relativ unwichtig wie groß der Anteil der Tierprodukteindustrie weltweit nun wirklich ist.

Sehr viel wichtiger ist die Tatsache, dass die Ernährungsumstellung hin zu einer rein pflanzlichen und damit emissionsärmeren Ernährung für jeden Menschen eine kurzfristig und einfach umzusetzende und wegen der weitreichenden Klima- und Umweltauswirkungen sehr effiziente Klimaschutzmaßnahme ist.

Die persönliche Ernährungsumstellung ist viel einfacher, als z.B. fortan alle Strecken statt mit dem Auto nun mit Bus & Bahn oder dem Fahrrad zu meistern. Selbst der relativ einfache Wechsel zu einem Ökostromanbieter ist vergleichsweise ineffizient, da er noch solange eine teilweise Illusion bleibt, wie aus der Steckdose ein Strommix mit Braunkohlestrom kommt – hierzu fehlt es einfach an Infrastruktur. (Anmerkung: Trotzdem ist der Wechsel auf den ÖPNV oder zum Ökostromanbieter natürlich wichtig, denn damit finanzieren und beschleunigen wir ja gerade eben diesen Infrastrukturausbau.)

Und was ebenfalls viel wichtiger als das weltweite Treibhausgas-Einsparpotential durch die Ernährungswende ist, ist das persönliche ernährungsbedingte Einsparpotential. Und das ist natürlich im Wesentlichen davon abhängig, wie groß aktuell der eigene ernährungsbedingte CO2-Fußabdruck ist und auf welche Ernährungsform man umsteigt.

Wer also z.B. vom Flexitarier zum Vegetarier wird hat natürlich ein viel kleineres Einsparpotential als ein überdurchschnittlicher Fleischesser, der zum Veganer wird. Daher ist es schwer hier pauschale Angaben zu machen.

Die umfassende Studie von Poore und Nemecek ist die einzige, die dazu eine konkrete Aussage tätigt: “Der Schritt von der aktuellen durchschnittlichen Ernährung hin zu einer tierproduktfreien Ernährung hat das Potential […] die Treibhausgasemissionen der Ernährung um durchschnittlich 6,6 (5,5 bis 7,4) Gt CO2-Äquivalente […] also 49% zu reduzieren.” (also zwischen 41% und 54%)

Weiter heißt es in der Studie: “In den USA, wo der pro Kopf Konsum von Fleisch dreimal so hoch ist, wie der globale Durchschnitt, und eine Ernährungsumstellung das Potential eines viel größeren Effektes auf die ernährungsbedingten Emissionen hat, können diese um 61% bis 73% reduziert werden.“

Außerdem heißt es dann noch: “Zusätzlich zu der Treibhausgas Reduktion durch die veränderte Ernährung könnte das dadurch freigegebene Land über die nächsten 100 Jahre noch ca. 8,1 Gt CO2 jährlich binden.”

Leider ist dieses Potential, mit dem freiwerdenden Land CO2 zu binden, schlecht als prozentuale “Reduktion” der ernährungsbedingten Emissionen auszudrücken. Doch es steigert das o.g. Einsparpotential definitiv nochmal erheblich. [siehe auch 3.) ]

Der globale pro Kopf Konsum von Fleisch liegt laut Wikipedia bei 42,5 kg. Der pro Kopf Konsum in Deutschland ist mit 88,1 kg in etwa doppelt so hoch und der in den USA dreimal so hoch (s.o.). Unser durchschnittliches Einsparpotenzial in Deutschland dürfte also etwa in der Mitte zwischen 49% und 73% – also bei rund 60% – liegen. Zzgl. dem Sequestrierungspotenzial durch die freizugebenden Flächen!

Aus einer Grafik bei our world in data , die sich auf eine Studie von Sandström, Valin et al. aus dem Jahr 2018 bezieht. Demzufolge stammen in Europa durchschnittlich 83% der ernährungsbedingten Treibhausgasemissionen aus Tierprodukten und in Deutschland etwa 85%. Aber das ist natürlich nicht komplett einsparbar. Um das Netto Einsparpotential zu erhalten müssen die Emissionen der pflanzlichen Lebensmittel, die stattdessen mehr gegessen werden davon noch subtrahiert werden.

Nach alledem können wir bereits relativ sicher annehmen, dass unser ernährungsbedingtes Einsparpotential an Treibhausgasen in Deutschland zwar unterhalb von 85%, aber weit oberhalb von 60% liegt, da ja die CO2-Bindung durch Wiederaufforstung noch hinzukommt.

Darüber hinaus geht diese Studie im übrigen von einem globalen Erwärmungspotential (GWP) von 28 CO2-Äquivalenten (CO2e) für Methan aus. Dies entspricht dem 100-Jahres Mittelwert. Methan ist jedoch ein sehr kurzlebiges Gas mit einer Halbwertzeit von etwa 10 Jahren. Der Mittelwert auf 100 Jahre ist daher nicht geeignet auszudrücken wie sehr das Methan uns direkt am Anfang “einheizt”. So liegt der Mittelwert des GWP über die ersten 10 Jahre bei 120 CO2e, über die ersten 20 Jahre gemittelt immer noch bei 84 CO2e.

Wie nachfolgende Grafik des Potsdam Institut für Klimaforschung zeigt gibt es mindestens 6 Kippelemente im Klimasystem, die auch schon unterhalb der 1,5-Grad-Marke des Pariser Klimaschutzabkommens – also in den nächsten paar Jahren(!) – fallen können. Daher ist eine Betrachtung des GWP von Methan über ein 100-Jahre-Mittel in unseren Augen fatal.

Darüber hinaus ist noch zu beachten, dass ein relativ großer Anteil der Emissionen der Tierprodukteindustrie aus Methan und Lachgas Emissionen bestehen.

Laut der Grafik des Klima- und Umwelt­forschers Dr. Jonathan Foley vom Project Drawdown , die auf Daten des IPCC basiert, machen die Methanemissionen aus der Tierprodukteindustrie mindestens 20,8% und die Lachgasemissionen, welche aus Tierexkrementen und Düngung (größtenteils für die viel größeren Futtermittelplantagen) entstehen, weitere 16% der Gesamtemissionen der Landwirtschaft aus.

Dabei ist zu beachten, dass auch hier das Methan nur mit einem GWP über 100 Jahre von 28 bewertet wurde. Diese beiden Gase machen also mindestens rund ⅓ der landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen aus, im Grunde genommen aber viel mehr.

Das ist so erwähnenswert, weil Methan und Lachgas weder durch biologische CO2-Senken noch durch technische Carbon Capture and Storage Systeme gebunden werden können.

Zu guter letzt möchten wir noch kurz auf den weit verbreiteten Mythos eingehen, Flugobst habe einen viel größeren CO2-Fußabdruck als z.B. regionales Fleisch. Wie dieser Grafik zu entnehmen ist, die ebenfalls auf der umfassenden Studie von Poore und Nemecek basiert siehe auch 1.), sind die mit Abstand größten Faktoren im CO2-Fußabdruck eines Lebensmittelproduktes Land Use Change (grün) – also z.B. die Brandrodung, um Flächen zu schaffen – die Farm Stage (braun) – die bei Tierprodukten insbesondere aus der Aufzucht und Mast der Tiere besteht – und Animal Feed (orange) – also die Futtermittelproduktion, die ja ausschließlich für die Tiermast erforderlich ist. Sämtliche anderen Faktoren wie Verarbeitung, Transport (auch wenn das Flugzeug benutzt wird…), Vertrieb und Verpackung sind dagegen verschwindend gering.

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